Abbildungen und Referenzen im Buch.
Buch bestellen? Ich würd' wirklich nicht. Warte bis die 2. Ausgabe gegen Ende Juli rauskommt!
Extrakorporale Stoßwellentherapie ESWT
Die Extrakorporale Stoßwellen Therapie (ESWT) wird als eine spezielle Art Ultraschall betrachtet wobei zum Teil die gleichen Prozessen stimuliert werden.
Es ist eine Anwendung wobei mechanische Reize mit unterschiedlichen Frequenzen und unterschiedlicher Intensität auf das Gewebe übertragen werden und wobei unterschieden werden muss zwischen Stoßwellen und Druckwellen.
« Richtige » Ultraschallwellen sind mechanische Wellen die während einer bestimmten Zeit mit gleichbleibender Intensität, mit gleichgroßen positiven und negativen Druckphasen auf das Gewebe einwirken. Eine Stoßwelle hat eine sehr kurze Wellenlänge von etwa 1,5 mm (wie US), und eine sehr rasch in Intensität zunehmende positive Druckphase (< ns) und darauf folgend eine eher schwache negative « Auspendelphase » .
Eine Druckwelle hat eine deutliche längere Wellenlänge von 15 cm bis 1,5 m und eine etwas langsamer ansteigende Intensität (bis 5 µs), der Druck im Gewebe kann dabei zunehmen bis zu 1 MPa (10 Atm) und das Auspendeln im Gewebe dauert etwas länger.
Die Wellenfront bei Stoßwellen, in der die Kompression stattfindet, ist ein Bereich wo im Gewebe plötzliche enorme Veränderungen von Spannung, Dichte und Temperatur auftreten, man erreicht Druckzunahmen bis 100 MPa, fast 1000 Atm !
Stoßwellen werden entweder elektromagnetisch, elektrohydraulisch oder piezoelektrisch ausgelöst, ich gehe hier nicht weiter auf die Technik ein. Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen den hochenergetischen fokusierten Stoßwellen (auch fESWT oder « hard shockwave » genannt) und die niederenergetischen radiale Druckwellen (oft RSWT, rESWT oder « soft shockwave » genannt, besser wäre RDWT).
Der Vollständigkeithalber möchte ich noch erwähnen, dass anstelle von RDWT auch der Ausdruck Extrakorporale Puls Aktivierungs Therapie EPAT benutzt wird. Die Abkürzung ist zum Glück auf Englisch die Gleiche, das Verfahren ebenso. Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren liegt darin, dass die fokussierte Wellen auf einen bestimmten Punkt konzentriert, also fokussiert werden. An diesem Punkt wird die meiste Energie abgegeben und mit dieser Technik kann man Tiefen bis 20 cm erreichen.
Dies im Gegensatz zu den maximal 3,5 bis 4 cm beim radialen Druckwellengerät. Es sind vor Allem die sich kugelförmig ausbreitenden Druckwellen der radialen Druckwellentherapie die bei der Behandlung von Pathologien am Bewegungsapparat durch Therapeuten eingesetzt werden, deshalb werde ich im Nachfolgenden nur auf diese Methode eingehen.
Die Bezeichnung radiale Stoßwellentherapie ist übrigens falsch, es wäre korrekt von Druckwellen zu reden weil die Pulsdauer der Druckwellen deutlich länger ist. Die Bezeichnung hat sich aber leider eingebürgert was die Interpretation von Studien oft sehr erschwert.
Radiale Druckwellen werden balistisch erzeugt. Dazu wird in einem Rohr pneumatisch oder elektromagnetisch ein Projektil mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 bis 25 m/s in Richtung des Behandlungskopfes geschossen und die Aufprallenergie wird auf das Gewebe übertragen. Vergleiche mit einem Luftgewehr sind gar nicht abwegig.
Dosierung
Bei der Dosierung von Druckwellentherapie sind mehrere Parameter wichtig. Neben die Anzahl abgegebene Impulsen und deren Energie und die Frequenz sind da die Anzahl Behandlungen pro Woche, die Gesamtzahl der Sizungen und die eventuelle Verwendung eines Lokalanästhetikums, bei der rSWT eher unüblich.
Die Energie, oder Energy Flux Density (EFD), auf Deutsch die Energieflußdichte (zum Glück auch EFD) also die Energie pro Fläche, drückt man bei den « echten » fokusierten ESWT Geräten in Millijoule pro mm² (mJ/mm²) aus.
Die abgegebene Energie wird bei der Luftdruckversion des RSWT Gerätes in bar angegeben, bei der elektromagnetischen Version in mJ.
Um uns Kliniker zu ärgern (ich sehe keinen anderen Grund) werden in sehr vielen Publikationen die Begrifflichkeiten gerne durcheinander benutzt. Das ist beim Erruieren der verwendeten Dosierungen nicht hilfreich.
Hier eine kleine Hilfestellung : bei Verwendung eines 15 mm² Kopfes am RDWT Gerät entspricht 1 bar 60 mJ, 2 bar 90 mJ, 3 bar 120 mJ, 4 bar 150 mJ und 5 bar 180 mJ. Die 3 bar entsprechen 0,12 mJ/mm² beim fESWT Gerät und 5 bar entsprechen 0,38 mJ/mm² am fESWT Apparat.
Die Behandlung mit den hochenergetischen fokusierten Stoßwellen kann sehr schmerzhaft sein, deshalb wird gerne mal ein Lokalanästhetikum verabreicht. Dies erschwert aber die Behandlung da man zur exakten Lokalisierung der Stöße oft auf die Aussagen des Patienten angewiesen ist. Außerdem hat man feststellen müssen, dass ein Lokalanästhetikum die Effektivität der Behandlung deutlich reduziert (Klonschinski et al 2011).
Die Erklärung scheint einleuchtend. Das Lokalanästhetikum blockiert die Leitung der nozizeptiven C-Fasern. Diese C-Fasern exprimieren, falls gereizt, Neuropeptide wie CGRP und Substance P (SP) die eine Schlüsselrolle spielen bei der Wundheilung. Die Substanzen wirken auf Zellen ein wie Mastzellen, Immunzellen und Muskelzellen in der Gefäßwand und verursachen eine Entzündungsreaktion.
Diese Reaktion nennt man neurogene Entzündung weil sie neurogenen Ursprungs ist, sie kennzeichnet sich durch Rötung und Erwärmung (sekundär an der Vasodilatation), Schwellung (sekundär an der Plasmaextravasation) und einer gesteigerten Empfindlichkeit (sekundär an Veränderungen in der Erregbarkeit von gewissen Nervenfasern): Rubor, Calor, Tumor und Dolor (Herbert und Holzer 2002).
Diese Neuropeptidfreisetzung dient der Gewebeerhaltung und -protektion. Substance P stimuliert die Proliferation von Fibroblasten (in vitro), SP und CGRP haben eine fördernde Wirkung auf die Angiogenese und beschleunigen die Wundheilung. Deshalb treten Trophikstörungen bei Neuropathien auf, bei denen v.a. die dünnen Nervenfasern geschädigt sind und daher die Neuropeptidsekretion vermindert ist, bei Diabetikern eine bekannte Komplikation. Und deshalb tritt diese Reaktion ebenso nicht auf wenn die verantwortliche Nervenfasern mittels einer Lokalanästhesie ausgeschaltet werden. Klonschinski et al schlagen vor, bei sehr schmerzhaften Behandlungen den Patienten vorab herkömmliche Schmerzmittel zu verabreichen da diese einen anderen Wirkungsmechanismus haben und die Wirkung der Stoßwellentherapie nicht stören. Reilly et al raten allerdings von der Verwendung von NSAR ab, da diese Medikamentengruppe die für die Wirkung von ESWT verantwortliche Entzündungsreaktion stören könnten, fokusiert und radial.
Wirkungsmechanismus
Was genau bei einer rDWT und fESWT pasiert ist nach wie vor unklar. Eins ist aber gesichert : die Methode ist sehr risikoarm (Schmitz et al 2015, Roerdink et al 2017). Es werden verschiedene Wirkungsmechanismen diskutiert aber es gibt unter den Wissenschaftlern dazu noch keinen Konsens.
Ein grosses Problem ist, dass die Ätiologie von viele Affektionen die mit den beiden Verfahren therapiert werden uns ebenso Rätsel aufgibt. Wenn man zum Beispiel erfolgreich eine Plantarfasziitis behandelt hat aber nicht genau weiss wie diese Fasziitis entstanden ist, wie soll man dann deren Genesung erklären ?
Die nachfolgende Liste ist aus Riley et al 2018
- Neovaskularisation am Sehnen-Knochen Übergang: Wang 2002
- Zerstörung von Kalkablagerungen: Peters 2004
- Zunahme Kollagensynthese, Geweberemodelling : Bosch 2007, Vetrano 2011
- Leukozyteninfiltration: Rompe 1998
- Tenozyten-Proliferation: Chen 2004
- Zunahme Glykosaminoglykanesynthese, Proteinsynthese: Bosch 2007
- Zunahme IL-6, IL-8, MMP-2, MMP-9, Kollagensynthese: Waugh 2015
- Zunahme TGF-β1,IGF-1, Kollagensynthese: Wang 2002, Chen 2004
- Mechanotransduktion, Zunahme Kollagensynthese: Bosch 2007
- Stimulation C-Fasern mit Neuropeptid Ausschüttung: Klonschinski 2011
- Nozizeptor Hyperstimulation / Gate Control Theorie: Saggini 2015, Wess 2008, Vahdatpour 2013, Zimmerman 2008
- Zunahme lokaler schmerzhemmenden Substanzen: Saggini 2015, Wess 2008, Vahdatpour 2013, Zimmerman 2008
- Beeinträchtigung Zellmembran Rezeptorpotenzial: Wess 2008
IL = Interleukin ; MMP = Matrix Metalloproteinase ; TGF-β1 = Transforming growth factor beta 1 ;
IGF-1 = Insulin-like growth factor 1
Einsatz, Dosierung
Viel Autoren sehen den Einsatz von ESWT gerechtfertigt bei Patienten die nicht auf die übliche konservative therapeutische Maßnahmen ansprechen und wo nun eine Operation diskutiert wird. Da die Ergebnisse der beiden Methoden durchaus vergleichbar sind favorisiert die aktuelle Literatur den Einsatz der konstengünstigeren und weniger aggressiven RDWT wobei die fESWT bei der Behandlung von sog. Kalkschultern jedoch effektiver zu sein scheint, je nach Art der Kalkablagerung. Beide Methoden werden bei vielen Affektionen des Bewegungsapparates eingesetzt, allerdings mit gemischtem Erfolg (Reilly et al 2018). Das bedeutet erstens, dass nicht alle Affektionen gleich gut auf die Therapie ansprechen und zweitens, dass es in Patientengruppen mit der gleichen Affektion immer zu unterschiedlichen Ergebnisse kommt.
Das optimale Behandlungsprotoll muss für jede Affektion und jedem Patienten neu bestimmt werden wobei man zum Glück von brauchbare Werte aus Studien ausgehen kann. In der Tabelle sind Pathologien aufgelistet von der in Reviews Beurteilungen zur Effektivität gemacht wurden. Ich möchte ausdrücklich erwähnen, dass es sich hier um Dosierungsangaben zur radialen Druckwellentherapie handelt. Es ist unklar ob die Ergebnisse der fokusierten ESWT sich eins zu eins auf die der radialen Druckwellentherapie übertragen lassen. Da muss noch viel geforscht werden.
Pathologie | Dosierungsempfehlung rDWT | Autoren |
---|---|---|
Tendinopathie Patellarsehne | Pulse > 2000, Energie > 2 bar, Frequenz 6 – 1 Hz, Sitzungen 2 - 5 | Leal et al 2015 |
Tendinitis calcarea Typ I und II (nach Gärtner & Simons) fESWT ist klar überlegen | Pulse 2500, Energie 500 x 1,5 bar, 2000 x 2,5 bar, Frequenz 500 x 4,5 Hz, 2000 x 10 Hz, Sitzungen 4 x, 1 x pro Woche | Cacchio et al 2006 , Review von Huisstede et al 2011 |
Schulter Tendinitis ohne Kalkablagerung | Pulse 2200, Energie 1,7 bar, Frequenz 5 Hz, Sitzungen 7 | Malliaropoulos et al 2017, Review von Testa et al 2020 |
Carpaltunnel Syndrom | Pulse 1000 und 5000, Energie 1,5 bar und 4 bar, Frequenz 5, 6 und 15Hz, Sitzungen 1 und 3 (1/Woche) | Testa et al 2020. Drei brauchbare Studien aber sehr heterogen |
Tendinopathie Achillessehne | Pulse 500+2500, 2000, 3000, Energie 1,5 bar, 2,5 bar, 3 bar, Frequenz 8 Hz, 15 Hz, Sitzungen 2 bis 5, 1 pro Woche | Stania et al 2019, mehrere brauchbare Studien aber sehr heterogen |
Fasziitis Plantaris | Keine brauchbare Dosisangaben für rDWT | Review von Wang et al 2019 belegt Effektivität, erwähnt aber keine brauchbare Dosierungen |
Triggerpunkte | -- | Keine Reviews zu rDWT |
Allgemeines zur radialen Druckwellentherapie RDWT
Die Schallköpfe bei der RDWT sind unterschiedlich geformt. Die meistbenutze Köpfe haben eine Fläche von etwa 1,5 bis 2 cm² und sind entweder leicht konvex oder leicht konkav. Die Konkavität soll die Druckwelle etwas fokusieren.
Die Energie wird, wie oben erwähnt, bei den pneumatischen Geräten in bar angegeben. Wenn das Projektil nun mit dem gleichen Druck gegen einen 15 mm durchmesser Kopf oder einen 30 mm Durchmesser Kopf prallt so wird die Aufprallenergie beim kleineren Kopf auf einer kleineren Fläche abgegeben und die Anwendung wird logischerweise lokal intensiver. Deshalb wäre es sinnvoll die Energieabgabe immer in mJ/mm² anzugeben.
Die Gesamtenergie einer Behandlung wird berechnet indem man die Pulsenergie mit dem Anzahl Pulsen multipliziert, zum Beispiel 0,05 mJ/mm² x 2000 = 100 mJ/mm².
Ein wichtiger Faktor bei der Behandlung ist die Pulsfrequenz. Erstens werden höhere Frequenzen von über 10 Hz von den meisten Patienten als angenehmer, oder sagen wir besser weniger unangenehm, beschrieben. Deshalb wird oft empfohlen in der ersten Sitzung mit einer höheren Frequenz zu beginnen und dann während der Behandlung schrittweise herunter zu gehen bis man die gewünschte Frequenz erreicht hat. Die Frequenz hat außerdem einen Einfluss auf die Penetrationstiefe, wobei die höhere Frequenzen etwas weniger tief eindringen wie die niedrigere. Huber et al (1999) konnten zeigen, dass Frequenzen über 5 Hz mehr Kavitationen verursachen als Frequenzen zwischen 0,5 und 5 Hz. Inwiefern sich das auf das Behandlungsergebnis auswirkt ist unbekannt.
Schmitz und Mitarbeiter haben 2015 in einem Cochrane Review nachfolgende Liste erstellt. Leider haben die Untersucher fESWT und RDWT in einem Topf geworfen.
• ESWT ist effektiv.
• ESWT ist sicher.
• Für bestimmte orthopädische Affektionen sind die RCT’s ESWT betreffend die häufigsten RCT’s in der PEDro Datenbank und/oder erreichten die höchsten Punktezahlen von den untersuchten therapeutischen Anwendungen.
• Es gibt keinen Qualitätsunterschied zwischen den RCT’s mit negativen und positiven Ergebnissen.
• Die Verabreichung eines Lokalanästhetikums beeinflußt das Resultat bei ESWT negativ.
• Zu niedrige Energie beeinflußt das Resultat bei ESWT negativ.
• Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis betreffend der Behandlungs-Ergebnissen der für die Verwendung von entweder rDWT oder fESWT spricht.
• Die Bezeichnung von radialer ESWT als « niedrig-energetischen ESWT » und fokusierte ESWT als « hoch-energetischen ESWT » ist falsch und sollte nicht verwendet werden.
• Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass eine bestimmte fESWT Technologie einer anderen überlegen wäre.
• Es scheint, dass ein optimales Behandlungsprotokoll für ESWT besteht aus Behandlungen mit 2000 Impulsen mit der höchstmöglichen Intensität, die in drei Sitzungen mit jeweils eine Woche Abstand verabreicht werden.
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