Ich muss da mal was loswerden.

Zur Zeit schreibe ich am Kapitel Mittelfrequenz/Interferenz. Nun ist das an sich schon eine ziemlich kontroverse Stromform. Weniger diplomatisch ausgedruckt: wir wissen so ziemlich genau absolut nicht was passiert.

Was bestimmt erwiesenermassen nicht passiert ist die wundersame Entstehung des berümten Interferenz-Kreuzes nach Nemec. Echt Leute, nicht mal im Wasserbad passiert in der Mitte zwischen diesen vier Elektroden viel. Nicht dass das eine neue Erkenntnis wäre. Treffene hat dies bereits 1983 gemessen und publiziert. Fazit: überall gibt es im besagten kunststoff Wasserbad Interferenzphänomene, am wenigsten im Kreuz. Damit hat er nicht seinen Rücken gemeint.

Beattie et al haben's 2011 in vivo am menschlichen M. quadriceps gemessen. Eine Nadel in der Mitte, eine bei einer Elektrode ganz in der Nähe und eine 5 cm ausserhalb des Zauberkreises der 4 Reizelektroden. Ergebnis: selbstverständlich die höchste Spannung nahe der erwähnten Elektrode und, jawohl, am wenigsten in der Mitte und jawohl, ausserhalb des Stromkreises wurde doppelt soviel Spannung gemessen als in der Mitte, hier war's minimal.

Das muss man erst mal sacken lassen.

Das ist aber nix Neues. Was mir heute so richtig den Gong gegeben hat ist Folgendes.

Ich mache im Buch keine Aussage ohne dabei nicht mindestens eine Referenz an zu geben. Kommen wir zum Thema Wirksamkeitstudie. Die gibt es nicht überaus viel für IF. Leider gibt es mehr Studien die zeigen dass IF praktisch nutzlos ist als solche die das Gegenteil belegen. OK, OK, die Qualität ist meistens ziemlich miserabel im Bereich der üblichen Fehler: keine Randomisierung, keine Blindierung, kein Kontrollgruppe, zu kleine und inhomogene Stichproben, Bias von hier bis nach Tokio und und und. Am schlimmsten sind die Autoren, die da schreiben Wir haben Interferenz gemacht. Ja, ähm, und wie genau bitte? 4 polig? 2 polig? Elektrodengrösse? Lokalisation? Trägerfrequenz? AMF? Spektrum? Behandlungsdauer? Behandlungsfrequenz? Und bittebittebitte die Intensität?!

Nebenbei: Punkto Intensität: Leute da passiert nichts und wieder nichts wenn ihr nur bis zum gerade-spürbare-Kribbeln aufdreht! Sehr deutlich spürbar aber gerade noch aus zu halten soll es sein. Und wenn es Muskelkontraktionen gibt, kein Problem, das darf sein. Und 15 Minuten bringt überhaupt nichts, 30 bis 45, wie TENS (darüber werde ich mich später aufregen).

Wo war ich, ja und dann taucht dieser Leckerbissen auf:

Werners R, Pynsent PB, Bulstrode CJ. Randomized trial comparing interferential therapy with motorized lumbar traction and massage in the management of low back pain in a primary care setting. Spine 1999;24(15):1579-1584

Nota bene: Spine, also nicht das Gelbe Heft oder Brigitte, nee, Spine.

Zuerst beschreiben die Autoren unter interventions wie es sich gehört das benutzte Gerät (Werbung?) und dann kommt's (ich zitiere)
In the current study it was used on Programme 36 (sic) ... (hier folgt mehr nutzlose Information) ... This has been a standard treatment in the author's clinic for the past 18 years.

Interventions: Programme 36.
Und die 18 Jahre als Bonus.

Es gibt Leute die möchten wissen ob und wie die Anwendung wirkt. Die Leute wollen vielleicht die Studie wiederholen, das gehört sich nämlich so. Dazu braucht es etwas mehr Info als Programme 36. Oh ja, 18 Jahre, die hatten wir auch noch.

Peer reviewed.

Übrigens war das Ergebnis dieser Studie dass IF bei LBP gleich gut funktioniert wie machinelle Traktion mit Massage. No comment.

Standard-Therapie in Deutschland Anno 1999. Auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert.

Ich schenk mir jetzt was ein.

Tschö!

Pieter

Zum Weiterlesen:

Treffene RJ. Interferential fields in a fluid medium. Aust J Physiother. 1983;29(6):209-216

Beatti A, Rayner A, Chipchase L, Souvlis T. Penetration and spread of interferential current in cutaneous, subcutaneous and muscle tissues. Physiotherapy. 2011;97(4):319-326